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Würgassen: Mein Brief an Ministerin Schulze

Lesen Sie hier meinen Brief an Bundesumweltministerin Svenja Schulze zur geplanten Einrichtung eines Bereitstellungslagers in Würgassen. 

Sehr geehrte Frau Ministerin Schulze,

die Überlegung in Beverungen-Würgassen ein „Logistikzentrum für das Endlager Konrad“ zu errichten hat die Menschen in der Region schockiert und aufgewühlt. Viele lehnen ein solches Projekt ab. Auch ich sehe dieses Vorhaben sehr skeptisch und muss es nach bisherigem Wissensstand ablehnen. Die großen Sorgen beginnen mit einer desaströsen Kommunikationsstrategie, die ich Ihnen am Beispiel meiner Person exemplarisch verdeutlichen will.

 

Am 05.03.2020 kündigte die BGZ mittels Einladung zu einer Pressekonferenz am 06.03.2020 an, dass in Beverungen-Würgassen auf dem Standort des ehemaligen Kernkraftwerkes ein Logistikzentrum zur Beschickung des Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle „Schacht Konrad“ entstehen soll.

 

Auf die am Nachmittag einsetzenden Presseanfragen konnte ich nicht reagieren, da mir als zuständigem Wahlkreisabgeordneten zu dieser Entscheidung keinerlei Informationen vorlagen. Auf Nachfrage beim Präsidenten der BGZ bestätigte dieser die Informationen. Er hatte unmittelbar zuvor den örtlichen Bürgermeister Grimm informiert. Er verwies im Übrigen auf das Ministerium.

 

Herr Staatssekretär Flasbarth hatte für 17:00 Uhr ein Telefonat angekündigt, dass er dann um 17:40 Uhr auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Eine Mitarbeiterin kündigte einen Anruf am nächsten Tag 8:30 Uhr an. Meine anschließenden mehrfachen Versuche Sie oder Ihre Büroleiterin zu erreichen, waren ohne Erfolg.

Zwischenzeitlich mehrten sich Anrufe von Pressevertretern, örtlichen Politikern und besorgten Bürgerinnen und Bürgern.

 

Immerhin ist der Bund Alleingesellschafter der BGZ, sodass die Bürgerinnen und Bürger zurecht davon ausgehen müssen, dass der örtliche Abgeordnete über eine solche Entscheidung umfassend informiert ist.

Im Anschluss erhielt ich aufgrund einer SMS meinerseits einen Anruf des Sts. Flasbarth, der sich zwar für seine verspätete Kontaktaufnahme entschuldigte, allerdings keine inhaltlichen Informationen gab.

 

Sie können sich vorstellen, dass damit die Glaubwürdigkeit meiner Person und aller anderen politischen Vertretern massiv gelitten hat. Die politisch mehr als bedenkliche Aussage von Herrn Seeba in der Pressekonferenz, dass man die politischen Vertreter bewusst nicht vorher informiert hat, hat die Situation noch verschärft und führt zu allgemeinen politischen Glaubwürdigkeitsdiskussionen in den sozialen Netzwerken.

 

„Mit den Dummen vom Lande kann man es ja machen“ ist da nur eine prägnante Feststellung. Dass mein Vertrauen in Ihr Haus, die BGZ und ein neutrales Verfahren massiv erschüttert ist, sei nur am Rande erwähnt.

 

Um diesem massiven Glaubwürdigkeitsverlust entgegen zu treten, möchte ich Sie eindringlich bitten an der von BGZ angekündigte Bürgerversammlung am 18.03.2020 persönlich teilzunehmen. Auch wenn mir bisher zu dieser Veranstaltung keine Einladung vorliegt, werde ich als Bürger unserer Stadt daran teilnehmen.

 

Die BGZ muss die Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger sowie der örtlichen Behörden und Politiker ernst nehmen und eine solide Vertrauensbasis aufbauen. Die Verharmlosungs- und Abschottungsstrategie ist sofort zu beenden.

 

Da ich bisher nicht mehr als die der Presse vorgestellte Kurzinformation zu dem Vorhaben habe, möchte ich folgende Fragen stellen bzw. Anmerkungen machen. Es wäre, unabhängig von einer Antwort an meine Adresse, sinnvoll diese auch bei der Bürgerversammlung öffentlich zu beantworten.

 

1.) Ist das Logistiklager notwendig?

§ 3 Entsorgungsübergangsgesetz bildet die rechtliche Grundlage für die Errichtung der Anlage. Dort heißt es „(…) kann ein zentrales Bereitstellungslager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung als Eingangslager für das Endlager Konrad errichten.“

Der Koalitionsvertrag legt den politischen Willen, ein solches zu errichten, nieder. Unabhängig hiervon ist aber bei der Entscheidung über das „Ob“ eines Bereitstellungslagers ein pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Ich gehe davon aus, dass dieser Prozess nachprüfbar belegt ist. Ich bitte mir die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Für mich stellt sich die Frage, ob eine konradgerechte Vorkonditionierung nicht an den Standorten der jeweiligen Zwischenlager erfolgen kann.

 

2.) Name

Das Gesetz spricht von einem Bereitstellungslager, die BGZ von der Errichtung eines Logistikzentrums. Ist das nur ein weichgespülter Name für das gleiche Projekt oder gibt es inhaltliche Unterschiede?

 

3.) Inbetriebnahme – Bereitstellungslager darf kein Dauerzwischenlager werden

Die BGZ beabsichtigt eine Inbetriebnahme in 2027 – dem Jahr, in dem nach den aktuellen Planungen das Endlager Konrad in Betrieb geht. Wie Ihnen bekannt ist, ist das Datum für die Inbetriebnahme von Schacht Konrad schon mehrfach verschoben worden. Wie ist sichergestellt, dass beide Projekte zeitlich aufeinander abgestimmt sind und es nicht zu einer längeren, unnötigen schlimmstenfalls dauerhaften Einlagerung im Bereitstellungslager mit zusätzlichen Risiken für die Bevölkerung kommt? Jedes unnötige Risiko für die Bevölkerung ist zu vermeiden. Ich halte es für erforderlich, dass das unabhängig vom Standort eines Bereitstellungslagers Teil der Genehmigung sein muss.

 

4.) Bereitstellungslager in unmittelbarer Nähe des Endlagers Konrad

Warum wird die Anlage nicht direkt auf oder neben dem Gelände von Schacht Konrad gebaut. Das scheint logistisch das Logischste. Das Gesetz spricht von einem Eingangslager. Würgassen ist fast zwei Fahrstunden entfernt.

In den Netzwerken wird behauptet, dass es zu Konflikten mit der erteilten Genehmigung des Endlagers Konrad kommen könnte und man aus diesem Grund die Idee verworfen hätte. Ist das so? Welche rechtlichen Bedenken gibt es genau?

 

5.) Auswahlkriterien

Welche Kriterien lagen der Auswahl von Würgassen zu Grunde und wer hat sie festgelegt? Es wird auf ein Gutachten verwiesen. Ich bitte Sie der Öffentlichkeit und mir dieses Gutachten zur Verfügung zu stellen. Ein Kriterium für die Festlegung des für Sie optimalen Standortes ist die Entfernung. Ist der Radius um Konrad willkürlich festgelegt worden? Sind alle Flächen geprüft worden oder nur Grundstücke auf die der Bund Zugriff hat? Ich würde dies für einen erheblichen Mangel halten.

Im Übrigen ist das vorhandene Gleis nur ein untergeordneter Punkt. Gleisanlagen gibt es in vielen Gewerbegebieten und könnten erforderlichenfalls auch neu errichtet werden.

 

6.) Entscheidung

Von wem ist die Auswahl des gewünschten Standortes erfolgt? Welche Rolle haben das Bundesumweltministerium oder andere Ministerien gespielt? War ein demokratisch legitimiertes Gremium beteiligt?

 

7.) Alternativen

Welche Orte wurden neben Würgassen (in welcher Tiefe) alternativ geprüft?

 

8.) Kosten

Herr Seeba kündigte in der Pressekonferenz an, dass er von Protesten gegen das Bereitstellungslager ausgeht. Sind diese Kosten in den Gesamtkosten enthalten? Ist dieser Punkt mit den Polizeibehörden der betroffenen Länder abgestimmt. Wird, wie seinerzeit beim Betrieb des Kernkraftwerkes die Zahl der betroffenen Region zugewiesenen Polizeidienststellen erhöht und wenn ja, wie hoch?

 

9.) Sicherheit

a) Welche Stoffe sollen umgepackt werden? Die Behauptung es handele sich nur um Schutzmasken und Anzüge ist wenig glaubwürdig. Wenn alle Gebinde aus allen Zwischenlagern hier umgepackt werden sollen, müssen zumindest die Stoffe aus den vorhandenen Zwischenlagern bekannt sein.

 

b) Welche Mengen (in welchen Risikostufen) werden zeitgleich in Würgassen gelagert?

 

c) Lässt sich das Standortrisiko durch einen priorisierten Abtransport der Tonnen aus dem Abbau des Kernkraftwerkes Würgassen vermindern?

 

d) Wie sieht das Sicherheitskonzept aus? Transportwege, Anlage?

 

10.) Gefahreneinschätzung

a) Welche Strahlenbelastung geht von den Gebinden aus?

b)  Welcher Exposition sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt?

c)  Wie ist die Sicherheit während der Transporte (Bahn und Straße) gewährleistet?

 

Sehr geehrte Frau Ministerin. Ich weiß, dass das viele Fragen sind. Ich bitte Sie aber die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen.

  

Ich rege zudem an, dass Sie zu einen Termin mit politischen Vertretern aus der Region einladen. Das gilt ausdrücklich auch für Vertreter aus dem Land Niedersachsen und Hessen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Christian Haase MdB